400 Bürger bei Grundwasser-Info-Veranstaltung
Draußen trockenes Wetter und schönster Sonnenschein. Im Keller steigt das Wasser. Tendenz: zunehmend. „Hierbei handelt es sich um drückendes Grundwasser - ein Problem, von dem viele Menschen seit 2024 aktuell betroffen sind“, sagt Hydrogeologe und Sachverständiger Dr. Reinhold Strotmann. Wesentlicher Grund? Die starken Niederschläge der vergangenen anderthalb Jahre in Folge des Klimawandels. „Von Juni 2023 bis Juni 2024 hat es 48 Prozent mehr Niederschlag gegeben“, so Dr. Strotmann. In Zahlen ausgedrückt: Anstatt wie üblich 780 Millimeter hat es um die 1300 Millimeter Niederschlag in Tönisvorst gegeben.
Zwei Vorträge und anschließende Fragerunde
Am Mittwoch, 6. Februar 2025 hatte die Stadtverwaltung einer Bürgerinformationsveranstaltung mit zwei Vorträgen und anschließender Fragerunde eingeladen. Dr. Reinhold Strotmann (Hydrogeologe und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger) informierte in einem Kurzvortrag zum Thema „Grundwassersituation im Stadtgebiet Tönisvorst“. Unter dem Titel „Grundwasser im Keller, was ist zu tun?" stellte Diplom-Ingenieur Andreas Borrmann (u.a. Dozent der EURO-FH Hamburg als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden) verschiedene Handlungsoptionen für Hauseigentümer vor.
Öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen die Kommune?
Gibt es öffentlich-rechtliche Ansprüche gegen die Kommune oder das Land bei Schäden durch Grundhochwasser? Das wurde vom Experten verneint, der unter anderem aus einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages sowie einem Gerichtsurteil zitierte. Grundwasser oder Feuchtigkeit im Gebäude seien kein Versäumnis der Verwaltung – auch kein Informationsversäumnis, sondern lägen in der Verantwortlichkeit der Bauherren beziehungsweise Architekten, erläuterte Dr. Strotmann.
Grundwasserscheide zwischen Rhein und Maas liegt unter Stadtgebiet
Mit Blick auf das Grundwasser herrscht in Tönisvorst eine besondere Situation. Denn im Bereich des Stadtgebietes liegt die Grundwasserscheide zwischen Rhein und Maas, die sich gerne auch mal von Ost nach West verschiebt. Mächtige Sedimentpakete aus Quarz und Sand sorgen für einen großen Grundwasserkörper, der oberflächennah ansteht. Gut für die Landwirtschaft in Trockenzeiten – schlecht für Hauseigentümer deren Keller bei Niederschlagsspitzen buchstäblich im Wasser stehen.
400 Bürger*innen kamen
Rund 400 Bürger*innen waren zu der Informationsveranstaltung gekommen. Insbesondere Betroffene von der Verbindungsstraße, Schäferstraße, Theo-Mülders-Straße oder Bremmental - aber auch Betroffene aus der Nachbarstadt Krefeld, die sich über Möglichkeiten der Abhilfe informieren wollten. Darüber berichtete Diplom-Ingenieur Andreas Bormann in seinem Vortrag. Die Möglichkeiten reichten von einer weißen Wanne, über Verpressarbeiten von innen mit PU-Schaum (Polyurethan) oder Epoxidharz. Dann gäbe es Zementinjektionen mittels Injektionslanzen, die Micro-Zement-Suspensionen außen anbringen würden oder auch das Freischachten der äußeren Kellerwände mit anschließendem Abdichten. Welches am besten geeignet sei, hänge vom Baukörper selber ab: Ob die Mauern beispielsweise auf einem Betonsockel stünden oder unmittelbar im Erdreich? Vorsicht auch vor einem möglichen Aufschwemmen eines Gebäudes aufgrund des Wasserdrucks – Stichwort Schürrmann-Bau in Bonn: Dort hatte sich der Rohbau durch die Auftriebskräfte des Grundwassers um 70 Zentimeter angehoben. Darum empfahl der Sachverständige immer einen Fachmann an Bord zu holen. Wichtig bei allem: Die Kosten im Blick behalten. Diese könnten fünf- bis sechsstellig werden.
Drainagen um das Haus sinnvoll?
Ob Drainagen um das Haus sinnvoll sein könnten? Das wurde von den Experten eher verneint – käme aber auf den Einzelfall an. Wenn die Drainage selber im Grundwasser stünde, könnte man den Zufluss von Grundwasser in Richtung des eigenen Hauses noch verstärken. Zudem stelle sich die Frage: Wohin mit dem Wasser? Denn: Dieses Fremdwasser dürfe nicht in die Kanalisation. Dieses sei für das Abwasser der Einwohner*innen dimensioniert und nicht für Fremdwasser. Wer Grundwasser in die Kanalisation pumpe, riskiere, dass beispielsweise bei einem Starkregenereignis das Stadtgebiet an anderer Stelle überflutet würde oder aber das Eigentum anderer. Ganz unabhängig von der Frage, dass es gebührenrechtlich nicht in Ordnung wäre, weil andere für diese Kosten aufkommen müssten. Hintergrund: Frischwasser gleich Abwasser heißt es bei der Abrechnung der Gebühren, die dem Verursacherprinzip folgen. Abwassergebühren zahlt man in Höhe des verbrauchten Frischwassers, welches per Zähler exakt gemessen wird. Weiterhin stelle die Ableitung von Grundwasser über eine Drainage – genauso wie das Abpumpen über einen Brunnen – eine Gewässernutzung dar, was genehmigt werden muss.
Kappung von Grundwasserspitzen wie in Korschenbroich?
In der Bürgerrunde kam die Frage auf, ob Tönisvorst für eine Kappung von Grundwasserspitzen wie in Korschenbroich sorgen könne? So kommt es im Stadtgebiet von Korschenbroich seit Ende der 90er Jahre wohl immer wieder zu Vernässungsschäden an Gebäuden, die offenbar nicht sachgerecht vor drückendem Grundwasser abgedichtet worden seien. Seit Dezember 2011 werden durch den Erftverband in Abstimmung mit der Stadt Korschenbroich Maßnahmen zur Kappung dieser Spitzen umgesetzt – im Wesentlichen in Form von sieben Vertikalfilterbrunnen. Finanziert würden die Maßnahmen im Wesentlichen durch die Bürgerinnen selbst, die laut Veröffentlichung beispielsweise 80 Prozent der Betriebskosten übernähmen.
Dem Fliethbach fehlt die hydraulische Leistungsfähigkeit
Dazu kam der Hinweis, dass das Abpumpen in Tönisvorst schwer möglich sei, weil ein Fluss oder Bach fehle, in dem das abgepumpte Wasser abfließen könne. Hier schlugen Bürger vor, den Fliethbach zu nutzen. Einzige Krux: Dann würde das Problem nach Kempen verlagert. Ganz abgesehen davon, dass der Fliethbach nicht die hydraulische Leistungsfähigkeit habe, das Wasser aufzunehmen. Der Ausbau des Fliethbaches könnte gute 10 bis 15 Jahre dauern und wäre keine Abhilfe für die aktuelle Situation.
Frühwarnsystem in Echtzeit gewünscht
Wiederum andere Bürger*innen wünschten sich ein Frühwarnsystem in Echtzeit, damit man rechtzeitig Gegenstände aus dem Keller räumen könnte – und nicht plötzlich von dem unsichtbar aufsteigenden Grundwasser überrascht würde. „Auf Kreisebene sind wir bereits an dem Thema dran. Auch als Stadt erhalten wir die Daten mit monatelanger Verzögerung“, sagte Bürgermeister Uwe Leuchtenberg, der selber vom dem Grundhochwasser betroffen ist.
Runder Tisch mit Betroffenen, Niersverband und der Wasser- und Bodenverband
Joachim Kremser, der die Moderation an diesem Abend hatte, schlug einen Runden Tisch vor, an dem sich Vertreter der Betroffenen, Niersverband, der Wasser- und Bodenverband, die Stadt sowie Vertreter des Kreises Viersen zusammensetzen sollten, um die konkreten Lösungsansätze durchzugehen. Dazu könne auch beispielsweise ein Gespräch mit der Stadt Kempen gehören, um die Möglichkeit der Durchgängigkeit des Fliethbaches oder seine hydraulische Leistungsfähigkeit zu klären.
Thema im Fachausschuss am 18. Februar 2025
Sowohl nach den einzelnen Vorträgen als auch zum Abschluss des Abends – der von 18 Uhr bis zirka 20.20 Uhr reichte – gab es Applaus seitens der Bürger*innen. Die Stadt wird in Kürze eine umfassende Information auf ihrer Website veröffentlichen inklusive der gehaltenen Vorträge. Hier die Links zu den Vorträgen: 20240528_Grundwasser_Toenisvorst und Microsoft PowerPoint - 2025-02-06 Vortrag Stadt St Tönisvorst Grundwasser im Keller. Als Nächstes soll das Thema im Fachausschuss am 18. Februar 2025 thematisiert werden. Die Sitzung ist öffentlich.
Text: (cp)