Walter Schöler als Geschäftsführer der Gebrüder-Ortmanns-Stiftung verabschiedet

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Das zweiseitige Testament aus dem Jahre 1939 enthielt einen klaren Auftrag: Eine mildtätige Stiftung ins Leben zu rufen. Diesen Willen allerdings Wirklichkeit werden zu lassen, entpuppte sich als teils kniffelige Aufgabe mit Hindernissen. Und beinhaltete als Protagonisten unter anderem eine illustre Bar – oder eher „Etablissement“ -, einen Pfarrer, Bürgermeister und Brauerei-Vertreter. Viele Jahre dauerte es, bis die Stiftung ins Register eingetragen werden konnte. „Dank sehr viel Rechtschaffenheit, Fingerspitzengefühl und Geduld“, so Bürgermeister Uwe Leuchtenberg anlässlich der Verabschiedung des bisherigen Geschäftsführers Walter Schöler, der den Willen des Stifters nicht nur hat Realität werden lassen, sondern insgesamt 46 Jahre die Geschicke der Stiftung leitete. Dank der Stiftung konnten seither über 800.000 Euro an bedürftige Bürgerinnen und Bürger ausgeschüttet werden.

Peter Ortmanns junior: Gründung einer Stiftung nach seinem Ableben

Zurück zu den Anfängen? Im Jahr 1939 verfügte Jakob Ortmanns junior - lediger Enkel des Brauerei-Gründers Peter Johann Ortmanns und Neffe des St. Töniser Ehrenbürgers Jakob Ortmanns senior - in einem Testament die Gründung einer Stiftung nach seinem Ableben. Insbesondere im Blick: Ehemalige Brauerei-Mitarbeiter und würdige bedürftige Bewohner in St. Tönis. Zuvor aber sollten sein Bruder und seine Schwester von seinem Erbe profitieren dürfen.

Als schließlich 1976 alle Vorerben das Zeitliche gesegnet hatten, war die Brauerei nicht mehr im Familienbesitz und das verbliebene Privatvermögen zu gering, um eine Stiftung zu gründen. Verhandlungen mit der Witwe seines Bruders Heinrich führten aber 1973 dazu, dass nach ihrem Ableben weiteres Familienvermögen in die Stiftung einfließen sollte. „Das so verdoppelte Stiftungsvermögen hatte nun eine wirtschaftliche Ertragsbasis und war somit genehmigungsfähig“, erinnert sich Walter Schöler, der seit 1971 als Liegenschaftsleiter der damaligen Gemeinde Tönisvorst dienstlich mit der Stiftung befasst war.

Regelung des § 100 GO NW greift

1977 setzte dann das Amtsgericht Kempen Walter Schöler zum Nachlassverwalter ein. „Meine Aufgabe war es nun, das Vermögen für eine Übergangszeit zu verwalten und anstelle der letztverstorbenen Ortmanns die Stiftungseinrichtung zu betreiben“, so Schöler. Mit einem Notar ging es zur Bezirksregierung Düsseldorf. „Dabei waren wir streng an die Verfügungen des Testaments aus dem Jahre 1939 gebunden“, so Schöler. Wobei die Ausführungen etwas dürftig waren: „Dieses Testament -  zwei DIN A 4 Seiten - sah neben dem Stiftungszweck lediglich einen Vorstand vor, bestehend aus dem jeweiligen Bürgermeister, dem Pfarrer von St. Cornelius und einem Brauereigesellschafter. Die Geschäftsführung wurde im Testament nicht geregelt. Damit galt die Regelung des § 100 GO NW (Gemeindeordnung NRW)“, so Schöler. Sprich: Die Aufgabe fällt an die Kommune. Gemeinsam mit dem Notar wurde schlussendlich eine Stiftungsurkunde entwickelt, die Mildtätigkeit vom Finanzamt Kempen anerkannt und die Satzung Anfang 1980 beurkundet. Mitte 1980 erfolgte dann durch das Innenministerium NRW die Genehmigung, so dass die Stiftung zum 1. Juli 1980 als mildtätige Stiftung des Privaten Rechts mit örtlichem Wirkungskreis rechtsfähig war. Der Vorstand setze Walter Schöler als Geschäftsführer ein.

Als die "Lido-Bar" Teil des Stiftungsvermögens war

Als Vorstand und Geschäftsführung dann die Immobilien und Grundstücke der jungen Stiftung anschauten, die schließlich den Ertrag der Stiftung einbrachten, stießen sie auf manch eine Überraschung. Wo heute Saturn in Krefeld ist, war seinerzeit eine Bar: die „Lido-Bar“. Ob der kuriosen Vorhänge, Belichtung und Musik etwas verunsichert, war dem Vorstand die Verwendung der Bar dann doch recht schnell klar: Die „Lido-Bar“ war ein „Etablissement“ mit Separees, wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß. Keine Immobilie, die sich so ganz mit einem Vorstand aus Stadtdirektor und Pfarrer vertrug. „Es kam dann zu einem Tauschgeschäft mit einer Immobilie in Krefeld-Oppum, die heute noch im Besitz der Stiftung ist“, so Schöler.

80 bis 100 bedürftige St. Töniser erhalten jährlich eine Zuwendung

Das heutige Stiftungskapital hat derzeit einen Wert von rund 535.000 Euro und besteht aus einem Wohnhaus mit fünf Wohnungen und einer Gaststätte in Krefeld sowie rund 45.000 Quadratmeter Ackerfläche in Wegberg sowie Barvermögen.

Vorstandsmitglieder seitens der Kirche waren bisher die Pfarrer Chrubasik, Beenen, Gerndt, Kamm und heute Probst Dr. Thomas Eicker. Für die Kommune die Stadtdirektoren Hochbruck, Bachmann, Scheuer sowie die Bürgermeister Schwarz, Goßen und jetzt Uwe Leuchtenberg. Den Part für den Brauereigesellschafter Sester aus Köln haben nach dessen Tod der ehemalige Kirchenvorstand Heinz Meier und danach der ehemalige Schuldirektor Amdohr übernommen. Rund 80 bis 100 bedürftige St. Töniser erhalten jährlich eine Zuwendung.

Neuer Geschäftsführer seit 1. Juni 2023 ist Mark Peters

Bürgermeister Uwe Leuchtenberg und Probst Eicker bedankten sich bei Walter Schöler für die insgesamt 46 Jahre, in denen er die Geschicke der Stiftung geleitet hat – viele Jahre ehrenamtlich und trotz der Verpflichtungen in Berlin, trotz Ruhestand. Neuer Geschäftsführer seit 1. Juni 2023 ist Mark Peters, geprüfter Steuerberater und Mitarbeiter der Kämmerei der Stadt Tönisvorst.

 

Text & Foto: (cp)

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